Urteil im „Trierer Innenstadtverfahren“

Verurteilung des Angeklagten zu lebenslanger Haftstrafe

Nach 42 Verhandlungstagen hat die 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts Trier am 16. August 2022 in dem Strafverfahren Az. 8032 Js 35057/20 ein Urteil verkündet.

Sie hat den Angeklagten wegen mehrfachen Mordes, vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, mehrfachen versuchten Mordes, gefährlicher und schwerer Körperverletzung zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Weiterhin hat sie die besondere Schwere der Schuld festgestellt und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) angeordnet. Die Fahrerlaubnis des Angeklagten wurde eingezogen sowie eine lebenslange Sperre hinsichtlich der Wiedererteilung verhängt. Zudem wurde das Tatfahrzeug eingezogen.

Die Kammer hat es als erwiesen erachtet, dass der Angeklagte am 1. Dezember 2020 eine so genannte „Amokfahrt“ durch die Innenstadt von Trier begangen und dabei fünf Menschen ermordet und weitere Menschen versucht hat zu ermorden. Zahlreiche Menschen wurden bei der Fahrt, teils schwer, körperlich verletzt. Der Angeklagte habe sein Fahrzeug gezielt und kontrolliert auf Menschen zugesteuert, die ihm den Rücken zugekehrt haben und sich keines Angriffs versahen. Die Kammer bejahte daher das Vorliegen der Mordmerkmale der Heimtücke und der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln.

Eine Erklärung, warum der Angeklagte die Tat begangen hat, habe durch das Verfahren nur bedingt ermittelt werden können. Der Angeklagte habe aufgrund einer psychischen Erkrankung – einer paranoiden Schizophrenie – in den letzten Jahren vor der Tat einen zunehmenden Gesellschaftshass entwickelt, der schließlich in dem Tatgeschehen gipfelte. Die Auswahl der Opfer sei willkürlich erfolgt, die Opfer hätten für den Angeklagten Stellvertreter der Gesellschaft dargestellt und ihre Auswahl sei allein dem Zufall geschuldet gewesen.

Aufgrund der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen nahm die Kammer eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB an. Die hiernach eingeräumt fakultative Strafmilderung, von der beim Vorliegen einer verminderten Schuldfähigkeit regelmäßig Gebrauch zu machen ist, verneinte sie hinsichtlich einer Tat, die sich gegen eine auf dem Hauptmarkt befindliche Familie richtete.

Der Angeklagte habe sein Fahrzeug auf die Familie – Vater, Mutter, 1,5 Jahre alter Sohn, 3 Monate altes Baby – zugesteuert. Während die Mutter dem Fahrzeug noch instinktiv habe ausweichen können, seien der Vater sowie die zwei von ihm im Kinderwagen geschobenen Kinder von dem Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit erfasst worden. Vater und Baby verstarben. Aufgrund einer Würdigung der Gesamtumstände – ein erkennbar auf eine junge Familie gerichteter, gezielter Angriff, bei dem zwei Menschen getötet sowie zwei Menschen verletzt und schwerst traumatisiert wurden – hebe sich diese Einzeltat von den anderen in ihrer Schwere so deutlich ab, dass eine Strafmilderung nicht in Betracht komme. Die Kammer sah hier eine lebenslange Freiheitsstrafe als schuldangemessen an. Bei den weiteren Einzeltaten, für welche jeweils eine eigene Strafe festzusetzen war, machte sie von der gemäß § 21 StGB vorgesehenen fakultativen Strafmilderung Gebrauch und erkannte auf zeitige Freiheitsstrafen in unterschiedlichen Höhen.

Weiterhin bejahte die Kammer das Vorliegen einer besonderen Schwere der Schuld. Die Annahme der besonderen Schwere der Schuld sei bereits ein absoluter Ausnahmefall. Wenn zudem eine verminderte Schuldfähigkeit vorliege, müssten ganz besondere Umstände vorliegen, um eine solche anzunehmen. Aufgrund der gebotenen Gesamtschau des Geschehens – eine Vielzahl von Tötungsdelikten binnen kürzester Zeit, zahlreiche (schwerst) verletzte und abstrakt gefährdete Personen, die lange Planung der Tat und deren zielgerichtete Ausführung – sei es hier allerdings schlicht unangemessen, die besondere Schwere der Schuld nicht anzunehmen.

Aufgrund der psychischen Erkrankung des Angeklagten hat die Kammer die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung angeordnet.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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